toxische Beziehungsmuster

Es gibt Beziehungen, in denen wir lachen, wachsen und uns getragen fühlen.
Und es gibt Beziehungen, in denen wir plötzlich anfangen, uns selbst zu verlieren:

  • wir entschuldigen uns ständig

  • wir übernehmen Verantwortung für Dinge, die wir nicht getan haben

  • wir schämen uns für unsere Bedürfnisse

  • wir fühlen uns klein, während der andere immer größer wird

Oft geschieht das nicht bewusst, nicht absichtlich und nicht aus Schwäche.
Es geschieht, weil wir lieben, hoffen, loyal sind – und weil wir gelernt haben, für andere da zu sein, manchmal mehr als für uns selbst.

In diesem Artikel möchte ich dir fünf Beziehungsmuster zeigen, die in vielen ungesunden oder unausgeglichenen Beziehungen vorkommen.

Du erfährst:

  • wie diese Muster funktionieren

  • wie du sie erkennst

  • wie du dich liebevoll aus ihnen löst

  • und wie du wieder in deine Kraft kommst

Nicht um deinem Gegenüber die Schuld zu geben.
Sondern damit du verstehst, was passiert – und damit du dich wieder selbst spürst.


1. Verantwortungsumkehr – wenn DU plötzlich für alles zuständig bist

Verantwortungsumkehr bedeutet:

👉 Der andere verletzt dich – aber du wirst für die Reaktion verantwortlich gemacht.

Beispiel:

  • Er geht fremd.

  • Du sprichst es an.

  • Er sagt: „Wenn du nicht so wärst, wäre das nie passiert.“

Oder:

  • Er bricht eine Grenze.

  • Du wirst wütend.

  • Er sagt: „Du übertreibst mal wieder.“

Was passiert in dir?

Du verlierst die Orientierung.
Du zweifelst an dir.
Du fragst dich:
„Ist das wirklich meine Schuld? Habe ich überreagiert?“

Was hilft?

  • Realität prüfen: Was ist FAKT? Was ist INTERPRETATION?

  • Verantwortung klar beim Gegenüber lassen

  • Therapeutische Unterstützung, wenn die Verwirrung tief sitzt

Du darfst Grenzen haben, und du darfst erwarten, dass sie respektiert werden.


2. Schuldinduktion – wenn du Gefühle trägst, die nicht dir gehören

Schuldinduktion bedeutet:

👉 Der andere legt dir Schuldgefühle hin, die ihm gehören.

Sprüche wie:

  • „Du machst mich kaputt.“

  • „Wegen dir geht es mir so schlecht.“

  • „Du bist schuld, dass ich so reagiere.“

  • „Wenn du mich wirklich lieben würdest…“

Schuld ist ein starkes Werkzeug.
Sie macht weich und anpassbar – und viele Frauen, die ohnehin sehr selbstkritisch sind, nehmen die Schuldgefühle an, fangen an zu trösten und übernehmen Verantwortung, die gar nicht zu ihnen gehört.

Was hilft?

  • Sich innerlich fragen: „Ist das wirklich MEINE Schuld?“

  • Den emotionalen Ball zurückgeben

  • Die eigenen Bedürfnisse unbedingt ernst nehmen

  • Grenzen ziehen (warm, klar, liebevoll)

Schuld ist nie ein gesundes Bindemittel.


3. Double Standard – wenn Regeln nur für dich gelten

Ein Double Standard bedeutet:

👉 Er nimmt sich Rechte, die er dir nicht zugesteht.

Beispiele:

  • Er flirtet – du darfst es nicht.

  • Er hat Geheimnisse – du musst transparent sein.

  • Er verletzt Grenzen – aber du sollst nachsichtig sein.

  • Er erwartet Verständnis – zeigt aber keines.

Das verwirrt und schwächt dein Selbstwertgefühl.
Du beginnst zu glauben:

„Vielleicht verlange ich zu viel.
Vielleicht muss ich mich mehr anpassen.“

Nein.
Du darfst dieselben Rechte haben wie dein Partner. Eine gesunde Partnerschaft ist eine Partnerschaft auf Augenhöhe. Beide Partner tauschen sich über ihre Standards aus- ganz offen und respektvoll.


4. Selbstviktimisierung – wenn der andere immer das Opfer ist

Selbstviktimisierung bedeutet:

👉 Der andere stellt sich als Opfer dar, um Verantwortung zu vermeiden oder Schuldgefühle auszulösen.

Typisch:

  • „Was hast Du nur mit mir gemacht?.“

  • „Ich halte das alles nicht mehr aus.“

  • „Du machst mich fertig.“

  • „Ich bin der Arme hier.“

Das klingt nicht aggressiv – es wirkt eher traurig.
Gerade feinfühlige Frauen fühlen dann sofort Mitleid.

Doch hier ist der entscheidende Punkt:

⭐ Selbstviktimisierung ist ein Coping-Muster (eine gelernte Verhaltensweise), aber KEINE Entschuldigung.

Es ist kein „böser Plan“ – aber es ist eine Form der emotionalen Manipulation, weil der Fokus weg von seinem Verhalten und hin auf dein Mitgefühl gelenkt wird.

Was hilft?

  • Innere Abgrenzung

  • Verantwortung beim Gegenüber lassen

  • Realitätscheck: „Was hat ER getan, was hat DAS damit zu tun?“

  • Selbstfürsorge statt Rettungsversuche


5. Kontrollverhalten – oft leise, aber immer bindend

Kontrolle ist nicht immer laut.
Manchmal zeigt sie sich als „Sorge“ oder „Interesse“:

  • „Sag mir, wenn du angekommen bist.“

  • „Mit wem verbringst du den Abend?“

  • „Warum brauchst du Zeit für dich?“

Oder emotional:

  • Schweigen

  • Schmollen

  • Rückzug von Nähe

  • unterschwellige Vorwürfe

Kontrolle entsteht aus Angst – aber sie zerstört Freiheit und Gleichwürdigkeit.

Was hilft?

  • eigene Grenzen schützen

  • Wertarbeit

  • Erlaubnis, nicht alles erklären zu müssen

  • Selbststärkung statt Anpassung


Zwischenruf: Warum Mitleid dich in toxischen Beziehungen schwächt

Gerade Frauen mit hoher Empathie sind besonders gefährdet, in ein Muster zu rutschen:

„Der arme Mann kann ja nichts dafür.“

Und plötzlich passiert Folgendes:

  • man entschuldigt sein Verhalten

  • man erklärt es psychologisch

  • man übernimmt Verantwortung

  • man versucht zu retten

  • man vergisst sich selbst

Das ist keine Liebe.
Das ist eine Retterrolle.

⭐ Empathie JA – Retten NEIN.

⭐ Verständnis JA – Verantwortung übernehmen NEIN.

⭐ Mitfühlen JA – Entschuldigen NEIN.

Du kannst jemanden verstehen,
ohne sein Verhalten zu relativieren.

Du kannst sein verletztes inneres Kind sehen,
ohne dich zur Therapeutin in der Beziehung zu machen.

Du bist nicht verantwortlich für die Heilung eines erwachsenen Menschen.
Das bleibt seine Aufgabe.


Wie du aus destruktiven Mustern aussteigst

1. Erkennen

„Aha, DAS passiert hier.“
Damit ist der Bann schon halb gebrochen.

2. Benennen

Zu dir selbst sagen:
„Das ist Schuldinduktion.“
„Das ist Verantwortungsumkehr.“
„Das ist Selbstviktimisierung.“
So holst du dich zurück an deine Seite. Und das ist wichtig- Du darfst wieder lernen, dir selbst zu vertrauen.

3. Körperliche Grenze spüren

Eine imaginierte Grenze wirkt Wunder. Stelle Dir vor oder verbildliche dir die Grenze, die um dich herum sein darf, damit du deinen Raum hast. Wie nah dürfen dir Menschen kommen? Wieviel Raum brauchst du für dich? Eine Übung aus der Körpertherapie ist: Lege ein Seil  um Dich herum, in der Größe, die deine innere Grenze darstellt. Das ist dein Raum, den niemand verletzen darf, den jemand nur mit deiner Erlaubnis betreten darf.

4. Deine Werte klären

Was brauchst DU, um dich sicher, gesehen und wertvoll zu fühlen? Welche Werte, in einer Partnerschaft, sind für dich eine elementare Voraussetzung? Ehrlichkeit? Respekt? Treue?  Verbundenheit? gemeinsame Interessen? Stabilität? Finde heraus, welche Werte Dir wichtig sind, in einer Beziehung. Wenn du dir dessen bewusst bist, wirst du sie auch einfordern können. Dir steht eine Partnerschaft, nach deinen Werten zu. Sei es dir selbst wert!

5. Verantwortung sortieren

Seins bleibt seins. Du übernimmst keine Verantwortung für sein Leben. Unterstützung ja, Verantwortungsübernahme nein.
Deins bleibt deins. Du übernimmst für dich Verantwortung. Du behandelst dich selbst so, wie du es dir von deinem Gegenüber wünscht. Du sorgst dafür, dass du liebevoll,  verständnisvoll und milde mit dir bist.

6. Hilfe annehmen

Therapeutische Unterstützung oder ein vertrauter Mensch können dabei sehr entlasten.


Der wichtigste Satz dieses Artikels

Du musst nicht da bleiben, wo du dich klein machen musst, um geliebt zu werden.

Liebe entsteht dort, wo du bleiben darfst, wie du bist.


Abschlussgedanke

Beziehungsmuster sind keine Schicksale.
Sie sind erlernte Strategien unserer Seele.
Und alles, was gelernt wurde,
kann auch wieder verlernt – und neu gelernt – werden.

Mit Bewusstsein.
Mit Mut.
Mit Selbstfürsorge.
Und manchmal mit Begleitung.

Wenn du dich in diesen Zeilen wiedererkennst,
dann ist das kein Versagen –
sondern der Beginn deiner Rückkehr zu dir.


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